Schattenlicht: Biografischer Roman (German Edition) by Martin Bühler

Schattenlicht: Biografischer Roman (German Edition) by Martin Bühler

Autor:Martin Bühler [Bühler, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-09T16:00:00+00:00


DIE FIRMA HEILER

Die Firma Heiler war ein gärtnerischer Großbetrieb, das Produkt von vier Generationen. Jede mehrte mit Fleiß und Ausdauer das Vermögen und gab es an die nächste weiter. Zu meiner Zeit waren alleine drei Generationen aktiv tätig. Da war der Seniorchef, Ökonomierat Friedrich Heiler, ein weißhaariger, hagerer, hochbetagter Mann. Ein quicklebendiges Energiebündel, das das Phlegma der jüngeren Gärtner nicht ertragen konnte. Wenn ein Gehilfe schon am Vormittag lustlos zwischen den Frühbeeten stand und gelangweilt gähnte, rief er ihm aus der hintersten Ecke der Gärtnerei zu: „Gell, vor du einschläfst, legst de hin, damit du net en d‘ Scheiba (Glas) neifällst!“ Dem alten Heiler entging nichts, er war einfach überall. Bösartig rügte er allerdings nie, sondern immer mit einem Schuss Humor. Er hatte eine besondere Gabe, seine Beanstandungen bekömmlich zu servieren, sodass man einfach nicht beleidigt sein konnte. Der Rat hatte in den Südhang der Burghalde ein schmuckes Austragshäuschen gebuddelt, das mit Sträuchern und Ranken so eingewachsen war, dass man den Eingang kaum finden konnte. Obwohl dieses wohnliche Kleinod von seiner Tochter Selma gepflegt und gewartet wurde, benutzte er es nur für seine kurze Schlafenszeit.

Wir hatten eine geordnete Arbeitszeit von 7 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags. Obwohl der alte Herr in der Blumengärtnerei nichts zu sagen hatte, rannte er durch die Gewächshäuser und schaute nach dem Rechten. Auch nachdem er den Betrieb schon längst seinem Sohn übereignet hatte, ließ ihn der Rhythmus seiner gärtnerischen Umsicht nicht los. Geblieben war ihm alleine das Stiefkind gärtnerischer Kulturen, der Gemüseanbau. Da durfte ihm niemand dreinreden, da war er in seinem Element.

In „Seegers“, viele Kilometer unterhalb Kemptens betreute er auf einem großen Freilandgelände entlang der Iller seine Kulturen. Vom Rhabarber bis zu Randich (Rote Rüben) war alles vertreten. Um dort gleich nach den Eisheiligen im Mai starke Pflanzen zu setzen, musste er sie in den Gewächshäusern und Frühbeeten der Blumengärtnerei heranziehen. Bis er alles gesät und pikiert hatte, nahm er dem Obergärtner meist zu viel Platz weg. Da gab es böse Machtkämpfe um ein paar Quadratmeter Platz unter dem Glasdach. Da glühte der Allgäuer Dickschädel und spuckte Gift und Galle, wenn er als machtloser Ex-Chef dem herrischen Obergärtner unterlag.

Es war schon bitter für den alten Herrn, wenn er seine mühsam gehegten Pflänzchen unter einer dunklen Stellage oder auf dem Komposthaufen verendet wiederfand. Für den eingefleischten Patrioten war der preußische Herrenmensch einfach ein rotes Tuch. Die Feindschaft wurde zur Dauerfehde, weil der Ökonomierat wusste, dass sein Sohn auf der Seite des „Preußen“ war. Resigniert sagte er häufig: ,Em Alter werd ma halt unwert! “

Auch bei der morgendlichen Arbeitseinteilung ließ der Obergärtner seine Macht merken: Für den Gemüsebau wurden immer die schlechtesten Hilfskräfte abgestellt: Ein paar stinkfaule, interesselose Gehilfen, ein gehbehinderter Rentner und die alte Frau Vogelsang, die zwar fleißig arbeitete, dafür aber nichts hörte. Ich wurde gleichfalls hin und wieder abkommandiert. Nur konnte ich mich dafür auch nicht begeistern und war schon bedient, wenn uns täglich Grünfutter mit einem bisschen Fleisch als preußischer Mittagsfraß vorgesetzt wurde. Ich war doch mit schwäbischer Kost wie „Hefanudla“ und „Küchla“ aufgezogen worden.



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